Stille Vielfalt


Jul/2022

Wer nach Jordanien reist, entdeckt eine weitgehend unbekannte Perle auf der touristischen Landkarte: Weltgeschichte im Zeitraffer, gepaart mit einer faszinierenden Landschaft, exklusivem Ambiente, erfrischender Gastfreundschaft und dem höchsten Luxusgut unserer Zeit: Gelassenheit.

„Ahlan Wa Sahlan“ – zu Deutsch: herzlich willkommen! Diese Worte werden wir auf unserer Reise durch das Haschemitische Königreich noch oft hören. Die Menschen hier sind freundlich und hilfsbereit, dabei niemals aufdringlich.

Wir starten unsere Reise in Amman, der Hauptstadt Jordaniens. Beinahe die Hälfte der jordanischen Bevölkerung lebt hier und in der näheren Umgebung – verantwortlich dafür sind der relativ hohe Wohlstand und das moderate Klima in der Gegend. Zudem liegen die Landesgrenzen nie mehr als vier Stunden entfernt. Der ideale Ausgangspunkt also, um das Land und seine Vielfalt zu erkunden.

Die Hauptstadt Amman beherbergt fast die Hälfte der jordanischen Bevölkerung und hat sich zur Finanzmetropole entwickelt.

Kultur, wohin das Auge blickt

Einen ersten Eindruck von der einmaligen Geschichte Jordaniens erhalten wir rund 50 Kilometer nördlich von Amman im antiken Jerash. Der faszinierende Ort gilt heute als die weltweit am besten erhaltene römische Provinzsiedlung. Davon zeugen gepflasterte und von Kolonnaden umgebene Straßen, auf Hügel thronende Tempel, Theaterstätten, großflächige öffentliche Plätze, Badehäuser, Brunnen sowie mit Türmen und Toren versehene Stadtmauern. Dies alles lädt ein zu einem dreidimensionalen Geschichtsunterricht. Ein beeindruckendes Zeugnis, wie zwei Kulturen koexistiert und sich vermischt haben: die griechisch-römische Welt des Mittelmeers und die uralten Sphären des arabischen Orients.

Exquisite Küche

Nach so viel Vergangenheit wenden wir uns fürs Erste wieder der Gegenwart zu: Die jordanische Küche bietet uns reichlich Möglichkeiten zur Stärkung. Es wird aufgetischt – im wahrsten Sinne des Wortes. Der Tisch vor unseren Augen ist bereits voll und noch immer werden weitere Vorspeisen – „Mezze“ – in Schalen gereicht. Pasten aus gekochten und pürierten Kichererbsen, dicke Bohnen mit Knoblauch und Zitronensaft, kleingehackte gegrillte Auberginen, frittierte Gemüsebällchen sowie gefüllte Weinblätter, Salate und Frikadellen mit Pinienkernfüllung. Dazu reicht man das „Cupes“ genannte Brot. Es ist fester Bestandteil jeder Mahlzeit und wird wie ein Löffel benutzt. Auch wenn die Vorspeisen-Versuchung groß ist, sollte man sich etwas zurückhalten, um auch die Hauptspeise entsprechend würdigen zu können. Sie besteht aus würzigem Lammfleisch und Hähnchen, das auf Spießen über offenem Feuer gegrillt wird. Dazu verschiedene Aufläufe aus Auberginen, Tomaten, Bohnen und Erbsen, mit Reis serviert – alles um­geben vom frischen Geruch nach Holz und Feuer. Die Schlusspunkte des opulenten Mahls setzen in Honig getränkter Blätterteig mit Nüssen sowie Ziegenkäse mit geschrotetem, in Sirup gebackenem Weizen. Nach dem Essen trinken wir Tee mit frischer Minze. Auf die uns angebotene Nargila, oft auch als „Hubbly Bubbly“ bezeichnete Wasserpfeife verzichten wir allerdings dankend.

Schwarzes Gold

Auf dem Weg durch das Jordantal zum Toten Meer sind wir sehr froh, einen kompetenten Fahrer zu haben. Das reichhaltige Essen macht uns ein wenig schläfrig, auch unser Guide Wael genießt diese Pause, in der wir ihn ausnahmsweise nicht mit Fragen überschütten. Um die zahlreichen Eindrücke nicht zu verschlafen, entschließen wir uns wenig später doch für eine Stärkung. Wael stoppt unser Fahrzeug direkt bei einem der vielen Straßenhändler. Wir haben die Wahl zwischen frischem Obst und Kaffee und wählen das Letztere.

Der Kaffeehändler ist gut zu erkennen an einer großen alten Kanne, die auf einem geschichteten Steinhaufen direkt neben der Straße steht. Der arabische Kaffee ist ein dunkler, starker, mit Kardamom gewürzter Kaffee, der in sehr kleinen Mengen serviert wird. Hellwach setzen wir die Fahrt zum Toten Meer zügig fort.

Am Toten Meer

Aufgrund der Nähe zu Israel liegen mehrere Check-Points auf dem Weg. Zum Thema Sicherheit lässt sich generell sagen, dass sich unsere anfänglichen Befürchtungen, die man als westlicher Reisender leider allzu leicht hegt, in keiner Weise bestätigen. Während der gesamten Reise fühlen wir uns kein einziges Mal unsicher. Man sollte sich also nicht durch die Kontrollen in den Hotelfoyers oder an den Verkehrswegen irritieren lassen. Zurück zur Geschichte: Die wundersame Landschaft des Jordangrabens ist zweifelsohne einer der beeindruckendsten Orte unserer Reise. Hier befindet sich mit 410 Metern unter dem Meeresspiegel der tiefste Punkt der Erde. Gespeist wird das Tote Meer von zahlreichen Flüssen, unter anderem durch den Jordan. Als Domizil entscheiden wir uns für das Kempinski Ishtar. Hier erholt sich unter anderem auch regelmäßig die königliche Familie des Landes. Direkt am Toten Meer führt uns der erste Weg natürlich ins Wasser.

Und tatsächlich: Der mit über 30 Prozent fast zehnmal so hohe Salzgehalt lässt auch uns nicht untergehen – üppige Küche hin oder her. Wem das Wellness-Feeling im Salzwasser nicht genügt, testet die berühmten heilenden Kräfte der Mineralien vom schlammigen Grund des Toten Meeres – entweder direkt am Strand oder im hoteleigenen Spa-Bereich, dem größten in dieser Region.

Nur eine halbe Stunde Fahrtzeit entfernt thront der Berg Nebo über der Landschaft. Hier wurde der Überlieferung nach Moses beerdigt, was Nebo zur wichtigsten christlichen Pilgerstätte Jordaniens macht. Vom Gipfel des Berges breitet sich ein weites Panorama vor uns aus: vom Jordantal und dem Toten Meer über Jericho bis nach Jerusalem. Häufig wird dies auch als das Heilige oder Gelobte Land bezeichnet. Weiter geht es von hier aus nach Madaba. Der mehrheitlich von Christen bewohnte Ort ist berühmt für seine prachtvollen Mosaiken aus byzantinischer Zeit. Sehenswert ist die griechisch-orthodoxe Kirche St. Georg. In ihr befindet sich eine Mosaikkarte aus dem 6. Jahrhundert, auf der Jerusalem und weitere heilige Stätten dargestellt sind.

König Abdullah II.

Während der Besichtigung der Stadt und eigentlich auf unserer gesamten Reise fallen uns die vielen aufgestellten Portraits von König Abdullah II. auf. Sie hängen sowohl in öffentlichen Gebäuden als auch an privaten Häusern und Hotels. Mal zeigen sie ihn neben seinem verstorbenen Vater König Hussein, mal neben seiner Ehefrau, Königin Raina. Auf die Frage, ob diese Art der Huldigung erwartet wird, entgegnet uns unser Guide, dass diese Ehrenbezeichnung tatsächlich von Herzen kommt. Der König ist im Land äußerst beliebt. Durch seine Erziehung – die Mutter ist Engländerin – versteht er es aufs Beste, die arabische mit der westlichen Welt zu verknüpfen. Das spürt man, Toleranz und Weltoffenheit sind heute tragende Säulen der jordanischen Gesellschaft. Wir sehen verschleierte Frauen neben jungen und modisch gekleideten Mädchen, viele Moscheen, einige christliche Kirchen. Alles im Einklang.

Auf bedeutenden Wegen

Am nächsten Morgen geht es vom Toten Meer nach Ma’in zu den heißen Quellen. Unsere Route führt uns auf die Tariq al-Sultani, die Königsstraße. Sie entspricht angeblich dem Weg, auf dem Moses die Hebräer in das Gelobte Land geführt haben soll. Wie auch immer: Sie bietet eine überwältigende Landschaft. Die Thermalquellen in Ma’in zogen die Menschen schon in der Römerzeit an. Das natürliche Steinbecken und der 25 Meter hohe Wasserfall laden zum Relaxen ein. Das Wasser kommt mit bis zu 60 Grad Temperatur aus dem Boden, es enthält Schwefel, Soda und Magnesium. Nach einem entspannenden Bad und einem fantastischen Mittagessen im angrenzenden Evason Ma’in Spa Hotel ziehen wir weiter. Unser nächstes Ziel ist die Felsenstadt Petra, wo wir am späten Nachmittag eintreffen.

Das Hotel Mövenpick Petra liegt der spektakulären Stadt genau gegenüber, die in der Antike als Zentrum des Nabatäer-Reichs bekannt war und heute – natürlich – UNESCO-Weltkulturerbe-Status besitzt. Um alles zu sehen, sollte man hier mindestens drei Tage einplanen. So viel Zeit haben wir leider nicht, entscheiden uns daher für die neueste Attraktion: Petra by Night. Bei diesem Event weisen uns 1.500 Kerzen den Weg durch die Felsenschluchten zum Schatzhaus. An diesem stolzesten und schönsten Denkmal der Stadt spielt ein Beduine verschiedene Instrumente und singt von alten Zeiten im Schein der flackernden Kerzen. Um das Bild abzurunden, sehen wir in der wolkenlosen Nacht ein für uns wunderschönes neues Sternenbild. Beim nächsten Mal kommen wir für drei Tage –versprochen!

Majestätisches Zeugnis einer vergangenen Zeit: Das imposante Haupttor führt direkt in die Felsenstadt Petra – in der Antike das Zentrum des Nabatäer-Reichs, heute ein einzigartiges Kulturdenkmal von unschätzbarem Wert.
Der 25 Meter hohe Wasserfall und sein natürliches Steinbecken bei Ma’in sind nur einige Highlights auf der Reise durch das Haschemitische Königreich.

Die Stille hören

Der neue Morgen hält einen strahlend blauen Himmel bereit. Heute geht es nach Aqaba ans Rote Meer. Die Stadt gilt als Jordaniens Fenster zum Meer, sie besitzt den einzigen Hafen des Landes. Von unserem Hotelbalkon genießen wir einen großartigen Blick auf kristallklares Wasser. Taucher finden in der farbenprächtigen Unterwasserwelt ein wahres Paradies. Als Alternative zu Sauerstoffflasche und Taucheranzug steht eine Fahrt im Glasboot bereit, sie gibt den Blick frei auf mannigfaltige Korallenformationen und Fischarten. Auf das Mittagessen verzichten wir und machen uns stattdessen direkt auf den Weg zu unserem persönlichen Reisehighlight: Wadi Rum. „Weitläufig, einsam und gottähnlich“, so beschrieb einst Lawrence von Arabien diese Wüstenlandschaft. Während des Araberaufstands gegen die Türken im ersten Weltkrieg schlug er hier sein Hauptquartier auf. Ein Großteil des gleichnamigen Hollywood-Films aus dem Jahr 1962 wurde hier an Originalschauplätzen gedreht.

Wir erkunden Wadi Rum – gesprochen „Wadi Ramm“ – per Jeep und mit einem ortskundigen Beduinen als Tourguide. Die Ruhe und Kraft, die dieser Ort ausstrahlt, sind beinahe mystisch. Genau so haben wir uns das vorgestellt. Bis zu dem Zeitpunkt, als eine 20-köpfige Gruppe koreanischer Touristen unseren Weg kreuzt. Wir nehmen uns ein Beispiel an der Gelassenheit unseres Beduinenführers – und tatsächlich, es funktioniert: Nach wenigen Minuten ist der „Spuk“ vorbei und wir können die Stille wieder hören. Als Belohnung für unsere neue innere Ruhe spendiert uns der Himmel einen spektakulären Sonnenuntergang, anschließend spannt sich ein riesiges Sternenzelt über unsere Köpfe. Wer möchte, kann hier auch die Nacht in einem Beduinenzelt verbringen. Wir wollen nicht und kehren zurück nach Aqaba. Während der Fahrt ist es im Auto außergewöhnlich still, jeder ist auf eine geheimnisvolle Weise berührt von den Erlebnissen und mit seinen Gedanken allein. Kaum zu glauben, dass diese endlose Wüste nur eine knappe Stunde von der Zivilisation entfernt ist.

Das Unfassbare

In Aqaba angekommen wählen wir zu unserem letzten jordanischen Abendessen – nach den obligatorischen Mezze – frischen Fisch aus dem Roten Meer. Basis des Gerichts mit dem Namen „Hammour“ ist eine Art Grouper, ein Zackenbarsch. Dieser wird zusammen mit Tomaten, Knoblauch und frischen Kräutern in einen Tonkrug gefüllt, verschlossen und in offenes Feuer gelegt. Anschließend „schüttelt“ der Küchenchef das fertige Gericht auf den Teller. Als Nachspeise gönnen wir uns Mushabbak, eine filigrane und mit Honig beträufelte Gebäckspezialität. Danach verbringen wir die letzte Nacht in Jordanien, tags darauf führt uns die letzte Strecke zurück in die Hauptstadt Amman.

Während der Fahrt versuchen wir, das Unfassbare zu fassen: Jordanien ist in seiner Vielfalt mit nichts vergleichbar. Reine Schönheit, aufregende Kontraste, höchste Ansprüche sowie ein reiches Angebot von Gegenwart und Geschichte. Dem von vielen Menschen auf unserer Reise entgegengebrachten „Ahlan Wa Sahlan“ entgegnen wir am Ende „Shukran lihusni dayafatikum“ – danke für die großartige Gastfreundschaft!

Reiseinfos

 

Landmark Amman
www.landmarkamman.com

 

Kempinski Ishtar
www.kempinski.com/deadsee

 

Mövenpick Resort Petra
www.movenpick-petra.com

 

Kempinski Aqaba
www.kempinski.com/aqaba

 

Tourismusbüro
de.visitjordan.com

Reiseführer
www.mairdumont.com

Text:
Markus R. Groß

Bildmaterial:
Markus R. Groß

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